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“The Law and the Prophets” – Szenen aus dem Westjordanland

Sonntag, 15. September 2024, 16:00

„Unter­halt­sam“ ist wohl kaum ein Wort, das man wäh­len wür­de, um einen Film zu beschrei­ben, der die erstaun­lich viel­schich­ti­ge, bru­ta­le Matrix von Geset­zen, Richt­li­ni­en und Prak­ti­ken auf­deckt, die Isra­el zur Kon­trol­le der Paläs­ti­nen­ser ein­setzt. Den­noch ist ‚The Law and the Pro­phe­ts‘ – zwei Stun­den lang – ein fes­selnd gefilm­ter, rasan­ter und gründ­li­cher Blick auf die täg­li­chen Bedro­hun­gen und Her­aus­for­de­run­gen, mit denen Paläs­ti­nen­ser kon­fron­tiert sind.

Der Film beginnt mit idyl­li­schen Sze­nen von Lifta, einem der Hun­der­te von paläs­ti­nen­si­schen Dör­fern, die nach der Grün­dung des Staa­tes Isra­el im Jahr 1948 von jüdi­schen Mili­zen eth­nisch gesäu­bert wur­den. Im Off erzählt der israe­li­sche Rei­se­füh­rer Yahav Zoh­ar, wie er als Kind in den Über­res­ten des Dor­fes spiel­te, das an einem Hang etwas außer­halb von Jeru­sa­lem liegt. Lifta, so erzählt er, sei „inof­fi­zi­ell zu einem Park für die [umlie­gen­den jüdi­schen] Stadt­vier­tel gewor­den, in dem man spie­len und pick­ni­cken konn­te“. Als er erwach­sen wur­de und die Geschich­te des Dor­fes erfuhr, sagt er: „Das hat die Bedeu­tung von Lifta für mich ver­än­dert – von einem Spiel­platz zu einem Ort, der mich auch an die Nak­ba [ara­bisch für Kata­stro­phe] erinnert.“

Dann, als wür­de er den gesam­ten Film vor­stel­len und nicht nur den Bericht über Lifta kom­men­tie­ren, sagt der unab­hän­gi­ge Jour­na­list Jona­than Cook: „Die Geschich­te hier ist für das west­li­che Publi­kum unan­ge­nehm zu hören …“

Cook weist auf den Unter­schied zwi­schen Kolo­nia­lis­mus und Sied­ler­ko­lo­nia­lis­mus hin. „Kolo­ni­al­ge­sell­schaf­ten, für die Groß­bri­tan­ni­en ein gutes Bei­spiel ist, sind dort­hin gegan­gen, um die ein­hei­mi­sche Bevöl­ke­rung aus­zu­beu­ten“, sagt er. „Sied­ler­ko­lo­ni­al­ge­sell­schaf­ten gehen dort­hin, um die ein­hei­mi­sche Bevöl­ke­rung zu erset­zen … Das hat einen schreck­li­chen Preis für die loka­le Bevöl­ke­rung. Es kann zu Völ­ker­mord, eth­ni­schen Säu­be­run­gen und Apart­heid führen.“

Der Film geht auf die Idee von Joshua Vis zurück, einem ordi­nier­ten Pfar­rer mit einem Dok­tor­ti­tel in Geschich­te. Er ver­an­stal­tet Immersi­ons­tou­ren nach Israel/Palästina. Auf die Fra­ge von Mon­do­weiss, war­um er und der Co-Pro­du­zent Eric Schro­ten­boer den Film gemacht haben, ant­wor­te­te Vis: „Ich arbei­te seit Jah­ren in der Regi­on und brin­ge Men­schen zu die­sen unglaub­li­chen Men­schen. Was sie zu sagen haben, ist so wich­tig, dass wir uns frag­ten: ‚Wie kön­nen wir ihre Stim­men verstärken?‘“

Vis’ Erzäh­lung, die auf Berich­ten aus ers­ter Hand basiert, führt dem Zuschau­er vor Augen, was er als „Schlei­er der Legi­ti­mi­tät“ bezeich­net, der die Unter­drü­ckung des paläs­ti­nen­si­schen Vol­kes durch Isra­el ver­schlei­ert. Er sagt:

Ich dach­te, der Isra­el-Paläs­ti­na-Kon­flikt sei kom­pli­ziert. Aber er ist nicht kom­pli­ziert … Eine Volks­grup­pe sieht sich einer ande­ren Volks­grup­pe über­le­gen. Und die­se Über­le­gen­heit erzeugt Ver­ach­tung, die zu Unter­drü­ckungs­sys­te­men führt. Im 21. Jahr­hun­dert müs­sen die­se Sys­te­me einen Schlei­er der Legi­ti­mi­tät erhal­ten, ins­be­son­de­re wenn die als über­le­gen gel­ten­de Grup­pe behaup­tet, demo­kra­tisch und mora­lisch inte­ger zu sein. So wer­den die Mecha­nis­men der Unter­drü­ckung hin­ter dem Schlei­er der Sicher­heit, des Rechts und der Ord­nung ver­bor­gen. Und da das west­li­che Publi­kum dazu neigt, mit dem jüdi­schen Volk zu sym­pa­thi­sie­ren, reicht die­ser Schlei­er aus.”

„Aber wenn man ein­mal hin­ter den Schlei­er geblickt hat“, fährt Vis fort, „kann man nicht mehr ver­ges­sen, was dort liegt. Man kann die Häss­lich­keit der Unter­drü­ckung des paläs­ti­nen­si­schen Vol­kes nicht vergessen.“

Der Kon­text der aktu­el­len Ereig­nis­se wird kurz beschrie­ben: die Tei­lung durch die UNO und die eth­ni­sche Säu­be­rung der Paläs­ti­nen­ser in den Jah­ren 1948–49. Der Film kon­zen­triert sich jedoch auf die anhal­ten­de Nakba.

Die Mit­be­grün­der von Mili­ta­ry Court Watch, Gerard Hor­ton, ein aus­tra­li­scher Anwalt, und Sal­wa Duai­bis, eine paläs­ti­nen­si­sche Staats­bür­ge­rin Isra­els, beschrei­ben, wie Kin­der im Alter von 12 bis 17 Jah­ren mit­ten in der Nacht aus ihren Häu­sern geholt und mit Straf­ver­fol­gung vor Mili­tär­ge­rich­ten bedroht wer­den, was gegen inter­na­tio­na­les Recht und Men­schen­rechts­kon­ven­tio­nen ver­stößt. Der Zuschau­er sieht Auf­nah­men von Kin­dern, die von israe­li­schen Sicher­heits­kräf­ten ver­hört wer­den, die Ein­schüch­te­rungs­dro­hun­gen ein­set­zen – „Du wirst für lan­ge Zeit ins Gefäng­nis kom­men“, „Wir wer­den dei­ne Mut­ter und dei­ne Schwes­ter ver­haf­ten“ –, um Geständ­nis­se zu erzwin­gen und/oder auf eine Zusam­men­ar­beit zu drängen.

Der paläs­ti­nen­sisch-ame­ri­ka­ni­sche Sam Bahour, der in sei­nem Haus in Ramal­lah gefilmt wur­de, beschreibt die Her­aus­for­de­run­gen beim Auf­bau eines paläs­ti­nen­si­schen Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­sys­tems. Er erklärt, wie die Oslo­er Abkom­men ver­fasst wur­den, um die Kon­trol­le Isra­els über die paläs­ti­nen­si­sche Wirt­schaft zu fes­ti­gen. „Wer bestimmt das Tem­po unse­rer Ent­wick­lung?“, fragt Bahour. „Letzt­end­lich hat Isra­el das Sagen.“ Die Oslo­er Abkom­men, erklärt Vis, „haben die Besat­zung nicht been­det, son­dern systematisiert.“
Auf dem Bau­ern­hof, den sei­ne Fami­lie schon bewirt­schaf­tet, bevor sein Groß­va­ter die Besitz­ur­kun­den vom Osma­ni­schen Reich erhielt, erzählt Daoud Nas­sar, wie das israe­li­sche Mili­tär und das israe­li­sche Gerichts­sys­tem Sied­ler bei ihren Bemü­hun­gen unter­stützt haben, das Land zu übernehmen

Der Jour­na­list Cook beschreibt eine „Poli­tik der Judai­sie­rung in ganz Isra­el und Paläs­ti­na“. Als Bei­spiel führt er die jüdi­sche Ent­wick­lung in der Umge­bung von Naza­reth an, einer paläs­ti­nen­si­schen Stadt in Isra­el. Obwohl paläs­ti­nen­si­sche Bür­ger Steu­ern zah­len, wer­den der Stadt Res­sour­cen und der Zugang zu Land ver­wei­gert, was ihr Wachs­tum und ihre Ent­wick­lung ein­schränkt. Das Film­ma­te­ri­al zeigt die Aus­wir­kun­gen der israe­li­schen Beset­zung auf den Tou­ris­mus, wenn Hun­der­te eine der hei­li­gen Stät­ten des Chris­ten­tums in Naza­reth, die Ver­kün­di­gungs­ba­si­li­ka, besu­chen und dann mit Bus­sen wie­der abrei­sen, wodurch ara­bi­sche Laden­be­sit­zer, Restau­rants und Hotels um ihre Ein­nah­men gebracht werden.

Ita­mar Shapi­ra, ein ehe­ma­li­ger israe­li­scher Sol­dat und Mit­be­grün­der von „Com­ba­tants for Peace“, erklärt, wie Isra­el den Holo­caust und die Geschich­te des Opfer­da­seins nutzt, um eine Erzäh­lung von Angst und Iso­la­ti­on sei­tens der israe­li­schen Juden zu ver­mit­teln – was sie davon abhält, Paläs­ti­nen­ser ken­nen­zu­ler­nen, und die Besat­zung rechtfertigt.
In einer der auf­schluss­rei­che­ren Sze­nen des Films erzählt der Rei­se­lei­ter Yahav, wie Paläs­ti­nen­ser durch einen israe­li­schen Geheim­dienst­of­fi­zier, der jedem Dorf im West­jor­dan­land zuge­teilt wird, zur Zusam­men­ar­beit mit ihren Besat­zern ver­lei­tet wer­den. „Nicht für Geld“, sagt Yahav. „Nicht aus Lie­be zur israe­li­schen Regie­rung.“ Aber sie lei­den unter einer erstick­ten Wirt­schaft, um ihre Fami­li­en zu ernäh­ren, um eine Arbeits­er­laub­nis für Isra­el zu erhal­ten, wo die Löh­ne viel höher sind. Die Geneh­mi­gun­gen kön­nen jeder­zeit wider­ru­fen wer­den, sagt Yahav.

Der Film zeigt in einem gut durch­dach­ten Geflecht fast jeden ande­ren Aspekt der israe­li­schen Kon­troll­ma­trix, dar­un­ter die Aus­wir­kun­gen der Apart­heid­mau­er und der ille­ga­len Sied­lun­gen, das Zwei­ge­richts­sys­tem im West­jor­dan­land, Haus­zer­stö­run­gen, die Unter­drü­ckung des paläs­ti­nen­si­schen Wider­stands durch Isra­el und das aus­ge­klü­gel­te Geneh­mi­gungs­sys­tem, das fast jeden Aspekt des paläs­ti­nen­si­schen Lebens kon­trol­liert (Zugang zu Beschäf­ti­gung, Bil­dung und medi­zi­ni­scher Ver­sor­gung; wen Paläs­ti­nen­ser hei­ra­ten dür­fen, wohin sie rei­sen dürfen).

„Das Gesetz und die Pro­phe­ten“ – der Titel ist ein Aus­druck, der oft ver­wen­det wird, um die Gesamt­heit der hebräi­schen Schrif­ten zu beschrei­ben – schafft es, die­je­ni­gen zu infor­mie­ren, die nur sehr wenig über die Situa­ti­on wis­sen, und gleich­zei­tig das Wis­sen derer zu erwei­tern, die die sich ver­schlech­tern­de Situa­ti­on seit Jah­ren verfolgen.
Vis und Yahav geben zu, dass ihre Arbeit und ihr Zeug­nis begrenzt sind. Yahav könn­te für bei­de spre­chen, wenn er sagt, dass er wei­ter­hin Grup­pen anlei­tet, „in der Hoff­nung, dass dies irgend­wie zu einem brei­te­ren Ver­ständ­nis führt, dass es zu Ver­än­de­run­gen führt, obwohl ich nicht sagen kann, wie …“

(Text: Jeff Wright, ver­öf­fent­licht auf Mon­do­weiss)

Die Situa­ti­on in Gaza konn­te das Film­pro­jekt “The Law and the Pro­phe­ts” aus Grün­den des Zugangs und ande­rer Pro­ble­me nicht mit einbeziehen.

Cre­dits:
USA / Isra­el / West­bank 2023
Regie: Jona­than Vis
Dau­er: 114 Minu­ten (mit Pause)
Spra­che: Eng­lisch mit deut­schen Untertiteln

Eine Ver­an­stal­tung von Kino in der Neu­stadt,  untertstützt vom Bre­mer Frie­dens­fo­rum, dem AK Nah­ost Bre­men und den Seeds of Palestine.

Details

Datum:
Sonntag, 15. September 2024
Zeit:
16:00

Veranstalter

  • Kino in der Neustadt
  • E-Mail kontakt@kino-in-der-neustadt.de

Veranstaltungsort

  • Theatersaal des Gemeindezentrum Zion

  • Kornstraße 31,
    28201 Bremen
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  • Telefon 0421 597 695 21
Kino in der Neustadt
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